BRAZIL+BERLIN > Galerie DNA


Lia Chaia, Odries Mlaszlo, Ding Musa, Marcelo Cidade, Chiara Banfi

co-curator: Daniela Labra
partner: Galerie Vermelho, SP


Urban Spaces/Urban Escapes

Diese Ausstellung stellt Berlin die Stimme einer jungen Stadt vor: São Paulo. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war São Paulo eine Stadt mit ruhigen Straßen und einem verhaltenen Handel, bis in den fünfziger Jahren der industrielle Aufschwung sie schnell zur finanziellen Hauptstadt Brasiliens werden ließ. Heute konzentrieren sich etwa 20 Millionen Einwohner im Stadtgebiet, und im Gegensatz zu anderen brasilianischen Städten kann sich hier das Tropenklischee nicht durchsetzen: Es ist eine Stadt ohne Strand, ohne Mulattinnen mit minimaler Bekleidung und eine Stadt mit sehr wenig ursprünglicher Natur. Vor der Kulisse eines grauen Wolkenkratzermeeres leben internationale Eleganz, üble örtliche Misere und eine sympathische kulturelle Vielfalt zusammen.
In einer Großtadt wie dieser, in der der einzelne Bewohner nur eine Nummer ist, ist das Verhältnis zum öffentlichen Raum gezwungenermaßen unpersönlich. In solchen städtischen Zentren gilt der Begriff „Geborgenheit“ nur, sofern man sich in seinen eigenen vier Wänden befindet, der Begriff „Anpassung“ ändert seine Bedeutung von Stadtviertel zu Stadtviertel, und die Vorstellung von einer „dauerhaften Struktur“ ändert sich alle 20 Jahre.
Die vielfältige metropolitanische Szene São Paulos bietet so Poetisches wie Lia Chaia, Marcelo Cidade, Ding Musa, Odires Mlázho und Chiara Banfi, alles Bewohner dieses großen brasilianischen Zentrums. Im Rahmen dieser Ausstellung zeigt sich die Macht ihrer Aussagen, die man als Reflex eines frenetischen Alltagslebens São Paulos verstehen kann. Eine Gesellschaft, stolz auf ihr Land, versucht, Feinheit und soziale Spannungen, Glamour und Müll, Natur und Stahlbeton, Haute-Couture und Analphabetentum zu vereinbaren.
Auch wenn in den heutigen städtischen Ballungsgebieten eine gewisse ästhetische und materielle Homogenität besteht, fallen bei der Betrachtung lokaler Probleme noch individuelle Elemente auf. Urban Spaces enthüllt die kosmopolitische Seite eines einzigartigen Brasiliens und verwirft gleichzeitig Begriffe und Themen, die man üblicherweise als “typisch” für die brasilianische Kunst bezeichnen würde, wie etwa diesinnliche Wahrnehmung, die Sensualität, die Bezugnahme auf die Natur, auf den Strand, die sozialen Gegensätze. Natürlich sind auch diese Aspekte in den ausgestellten Arbeiten zu finden, jedoch werden sie nicht mit der üblichen Oberflächlichkeit behandelt.
Man muss darauf hinweisen, dass Brasilien ein riesiges Land mit zahlreichen kulturellen Traditionen ist. Die hier vereinten Arbeiten stellen insofern nur einen der vielen Aspekte der brasilianischen künstlerischen Produktion dar. Das Brasilien von Urban Spaces ist jedenfalls nicht das üppige Land der Reisebüros. Das Brasilien dieser Ausstellung ist hart, und seine Natur ist künstlich – so wie São Paulo.

Daniela Labra


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Auguststraße 20, 10117 Berlin, tel. 030 28599652